Freu(n)de


 

Ein Freund liebt allezeit

 

und ein Bruder wir für die Not geboren.

 

Sprüche 17,17

 


Gestern war ich noch spät im Dunkeln unterwegs und trotz des schlechten Wetters fand ich die Straßen schön.

Überall standen schon festlich geschmückte Tannenbäume, der Glockenturm der Kirche strahlte im ruhigen Glanz und die Fenster blitzten und blinkten, gerade so als ob sie mir zuwinkten und mir erzählen wollten, dass nun bald Weihnachten ist.

„Hallo Engel Angelus.“

„Oh, guten Abend Michael.“

Michael wirkte bedrückt.

„Warum bist du nicht im warmen Zimmer und zündest Kerzen an?“

„Warmes Zimmer, Kerzen. Ich brauche den ganzen Firlefanz nicht!“

„Soso!“

„Du brauchst gar nicht so scheinheilig zu tun. Wenn Weihnachten wieder vorbei ist, dann ist alles wieder beim Alten! Also verschon mich mit diesem Zeug!“

„Aber gerade die Weihnachtszeit ist doch eine wunderbare Zeit zum entspannen, zur Ruhe kommen, zum Kerzen anzünden, sich einkuscheln in eine warme Decke und sich mit Freunden zum heißen Kakao zu treffen.“

„Freunde? Brauch ich nicht!“

„Und deine Familie?“

„Brauch ich erst recht nicht!“

Ich legte meinen Arm um seine Schulter. Michael zitterte am ganzen Körper.

„Komm, lass uns ein paar Schritte gehen.“

Michael schwieg und wir liefen die Straße hinauf. Oben auf dem Berg angekommen, blickten wir beide über das kleine Tal in der die Ortschaft lag.

„Wunderschön, wenn alles so hell erleuchtet ist und die Menschen die Weihnachtszeit so genießen können.“

„Ich sagte dir doch schon, dass du mich mit diesem Zeug verschonen sollst!“

Ich schwieg und der regen setzte ein.

„Wie du siehst, hat sogar der Himmel etwas gegen diese Zeit.“

„Vielleicht will der Himmel nur, dass du wieder nach Hause gehst?“

„Quatsch! Völliger Quatsch!“

„Du könntest doch...“

Michael lief davon und schrie.

„Ich möchte nicht mit Freunden zusammen sein und auch nicht mit meiner verkorksten Familie und ich will keine Kerzen sehen und auch keine bescheuerten Lichterketten. Ich will nur noch, dass Weihnachten vorbei ist und alles wieder so ist wie immer.“

Michael blieb im Regen stehen und das Wasser lief an ihm herunter, lies seine Haare am Kopf kleben.

Ich trat neben ihn.

„Dein Herz sehnst sich nach Liebe und Geborgenheit. Deine Sinne dürsten nach dem Glanz der Kerzen und dein Auge will die Zugehörigkeit zur Familie sehen. Doch dein Stolz und deine Sturheit hindern dich einfach loszulassen.“

„Du weißt nichts!“

Michaels Augen wurden so gläsern wie die Regentropfen selbst.

„Die Karten deiner Familie zeigen, dass sie dich lieben. Die kleinen Briefbotschaften deiner Freunde müssten dich erkennen lassen, dass sie dich brauchen. Du kannst einfach loslassen. Sei wie du wirklich bist. Zeig deine Gefühle, auch wenn es schwerfällt. Deine Familie wird dich auffangen, dich trösten, dich in deinem Leben begleiten.“

„Ich habe alles versaut.“

„es gibt für alles einen Neuanfang und gerade jetzt wo die Tage so kurz sind und die Abende so schrecklich lang, habt ihr Menschen Zeit füreinander geschenkt bekommen. Nutzt die Zeit und verschwendet nicht euer Leben.“

Michael sah mich weinend an.

„Und nun?“

Ich lächelte.

„Nun gehst du nach Hause und rufst deine Familie und Freunde an, lädst sie ein und schließt mit ihnen deinen Frieden.“

Wir gingen wieder die Straße hinab und blieben wenige Meter vor seinem Haus stehen. Im Hauseingang brannte Licht. Michael wischte sich die Tränen ab und erkannte seinen besten Freund, der in Begleitung seiner Schwester war.

Aufgeregt rannte er auf die beiden zu und schloss sie in seine Arme.

„Tina! Theo! Wie gut dass ihr hier seid!“

Sein Blick fiel nochmals zu mir und seine Gefühl der Zufriedenheit erfüllten sein Herz.

 

Es gibt immer einen Weg – immer.

 

© Urheberrechte liegen bei Stefanie Bernecker